Der tote Hund ließ die Stimmung kippen. Überrollt hatte ihn Anfang Mai ein fahrerloses Auto der Google-Schwester Waymo, die in Kalifornien daran arbeitet, aus Robotaxis ein Geschäftsmodell für mindestens die USA zu machen. Ein Plan, der schon vor dem Tod des Haustiers zunehmend Kritik hervorrief. Vor allem in San Francisco formiert sich Widerstand gegen die fahrenden Robotermobile.
Schon seit Jahren kommt es immer wieder zu Zwischenfällen mit autonomen Autos, die irgendwo zwischen Vandalismus, mehr oder weniger gelungenen Scherzen und purer Blödheit oszillieren. So tauchen im Netz regelmäßig Videos auf, in denen sich Fußgänger vor Robotaxis werfen, um diese zum Notstopp zu zwingen. Andere springen auf das Doch oder die Motorhaube, bremsen die führerlosen Fahrzeuge mit ihren eigenen Autos aus oder prüfen anderweitig, wie sich die Maschinen manipulieren lassen. Ob es sich um eine Art Mutprobe oder eine politische Aktion handelt, ist nicht immer klar. Auch der ein oder andere Fall menschlicher Unfallflucht dürfte darunter sein.
Häufig handelt es sich bei den Störern offenbar um Einzelpersonen oder spontan gebildete Gruppen. Es gibt aber auch organisierte Opposition wie die „Safe Street Rebels“, die es mit der von ihnen ausgerufenen „Woche des Hütchens“ auch in überregionale und internationale Medien geschafft haben. Sie hatte im großen Stil zur Blockade autonomer Fahrzeuge aufgerufen. Mittel der Wahl: die überall im Stadtgebiet an Baustellen oder Absperrungen herumstehenden Warn-Pylonen. Werden diese auf der Motorhaube der selbstfahrenden Taxis von Google-Schwester Waymo und der General-Motors-Tochter Cruise platziert, wechseln die Fahrzeuge aus Sicherheitsgründen in den Pannen-Modus, aktivieren die Warnblinkanlage und fahren keinen Zentimeter weiter.
Da kein menschlicher Fahrer an Bord ist, kann niemand die Hütchen anschließend einfach entfernen. Deaktiviert werden sollen die Fahrzeuge den Aktivisten zufolge allerdings nur, wenn sie an ungefährlichen Orten stehen und keine Passagiere an Bord haben. Zudem mahnen die Initiatoren, die Hütchen möglichst sanft auf der Motorhaube zu platzieren, um Schäden zu vermeiden. Die Robotaxi-Betreiber bewerten die Aktion trotzdem als Vandalismus und drohen mit Strafverfolgung.
Die modernen Fahrdienste stoßen nicht nur bei den aufgebrachten Aktivisten auf Kritik. Auch nicht-organisierte Bürger und selbst die Stadtverwaltung blicken Medienberichten zufolge skeptisch auf die wachsende Zahl an Roboterautos in der City. Die automatisierten Taxis würden die bereits überfüllten Straßen noch stärker verstopfen, Rettungsfahrzeuge blockieren und nicht zuletzt einen Überwachungs-Alptraum schaffen, indem sie mit ihren Kameras durchgehend den öffentlichen Raum filmten, so die Kritik.
Robotermobile sorgen für Verkehrschaos
Tatsächlich sind online zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Robotermobile von Waymo, Cruise und Co. plötzlich auf freier Kreuzung stoppen und für ein veritables Verkehrs-Chaos sorgen. Vor allem außerplanmäßige Ereignisse wie Baustellen oder kurzfristige Straßensperren irritieren die Roboter-Fahrzeuge, sie sich letztlich immer noch in der Testphase befinden. Aktuell dürfen Anbieter in den USA nur in wenigen Städten, zu bestimmten Zeiten, in bestimmten Bereichen und in der Regel nur bei gutem Wetter komplett ohne Fahrer unterwegs sein. Der Nutzerkreis ist zudem häufig beschränkt und auch bei der Kommerzialisierung und der Erhebung von Fahrpreisen existieren noch strenge Regeln.
Das jedoch soll sich bald ändern: Die Anbieter wollen die Dienste ausrollen und groß in das Geschäft mit Mobilitätsdiensten einsteigen. Die kalifornische Public Utility Commission will in Kürze entscheiden, ob Waymo und Cruise eine uneingeschränkte Zulassung erhalten. Experten halten die Erlaubnis für sehr wahrscheinlich – was nicht zuletzt die Pylonen-Aktivisten von Safe Street Rebel auf den Plan gerufen hat. Sie und die anderen Robotaxi-Skeptiker fordern mindestens ein langsameres und vorsichtigeres Vorgehen bei der Genehmigung neuer Dienstleistungen sowie eine zahlenmäßige Begrenzung der Fahrzeugflotte.
Die Dienst-Betreiber wenden ein, autonome Fahrzeuge würden die Verkehrssicherheit erhöhen und die Mobilitätskosten senken. Tatsächlich tragen in rund 90 Prozent der Vorfälle mit Roboterautos die menschlichen Unfallgegner die Hauptschuld. Die Daten liegen vor, weil die Unternehmen sicherheitsrelevante Ereignisse in Kalifornien relativ genau dokumentieren müssen. Die Kraftfahrzeugbehörde DMV veröffentlicht die Informationen regelmäßig online. So auch den Vorfall mit dem Hund, der im Mai beim Überqueren der Straße von einem autonom fahrenden Jaguar i-Pace aus der Waymo-Flotte getötet worden war. In diesem Fall war anders als bei den meisten anderen Fahrzeugen noch ein Sicherheitsfahrer an Bord, eingreifen konnte dieser aber nicht mehr.
Häufige Unfälle mit Robotaxis
Solche und ähnliche Vorfälle sind wegen der Meldepflicht in den USA sehr sichtbar – und sie sorgen für Aufmerksamkeit. Meist negativer Art. Tatsächlich sind Robotaxis im Vergleich mit klassischen Taxis offenbar ziemlich häufig in Unfälle verwickelt – sei es, weil ihr Fahrverhalten für Menschen ungewohnt ist, oder weil diese aktiv versuchen, die Maschinen auszutricksen und zu übervorteilen. Denn die Computer halten sich sklavisch an Geschwindigkeitslimits und andere Verkehrsregeln – was eilige Menschen zum Schneiden, Ausbremsen oder ganz allgemein zur Weißglut treiben könnte.
Dass die aktuellen Protestaktionen das Robotaxi tatsächlich aufhalten können, ist unwahrscheinlich. Waymo und Co. kämpfen energisch für ihr Geschäftsmodell. In einem Kommentar im San Francisco Chronicle etwa betonte Waymo-CEO Tekedra Mawakana zuletzt, wie positiv sich autonomes Fahren auf die allgemeine Verkehrssicherheit auswirken würden – und machte Druck auf die Robotaxi-skeptische Stadtverwaltung. Dabei dürfte nicht zuletzt auch das Argument zählen, das Kalifornien seinen Vorsprung bei der Entwicklung autonomer Fahrdienste zu verlieren droht. Der Bundesstaat steht bei der technischen Entwicklung nicht zuletzt in Konkurrenz mit China, wo ähnliche Geschäftsmodelle parallel entwickelt werden.