Interview: Mit südeuropäischer Leidenschaft

Seit 1. September 2016 ist Wayne Griffiths Vorstand für Vertrieb und Marketing bei Seat in Barcelona. Den Audi-Händlern in Deutschland ist er vor allem als Audi-Deutschlandchef ob seiner 3-Prozent-Rendite-Politik in Erinnerung. AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach mit ihm über Lage- und Marktszenerien bei Seat. AH: Herr Griffiths, seit 1. September sind Sie Vorstand für Vertrieb und Marketing bei Seat in Barcelona. Ihre letzte Position war Deutschland-Chef von Audi, zuvor Europa-Chef von Audi. Standortwechsel! Markenwechsel! Wie gelingt das? W. Griffiths: Der Wechsel hat für mich nicht nur einen Markenwechsel, sondern auch die Rückkehr zu Seat und nach Barcelona bedeutet. Ich hatte bereits die Gelegenheit, zwischen 1991 und 1993 in dieser Stadt zu leben und für Seat zu arbeiten, eine Zeit, die mir immer in bester Erinnerung geblieben ist. Das Unternehmen war damals ganz anders: Ich war bei der Einführung des Seat Toledo und des Seat Córdoba dabei. Zudem hatte ich die Gelegenheit, die Olympischen Spiele in Barcelona zu erleben und eine Stadt im Aufbruch zu erfahren. Ich bin zu einem sehr aufregenden Zeitpunkt und voller Erwartung zu Seat zurückgekehrt. Mit der Einführung vier neuer Modelle im Jahr 2017 befinden wir uns mitten in der größten Produktoffensive unserer Unternehmensgeschichte. Wir verstärken äußerst erfolgreich unsere Präsenz in neuen Ländern und bauen gleichzeitig unsere Position auf unseren wichtigsten Märkten aus. Hinzu kommt die gegenwärtige Digitalisierung, die wir uns zunutze machen, um die Herausforderungen der Automobilindustrie zu bewältigen. Internationale Marktszene AH: Ihre Adlerperspektive hat sich bei Seat nun auf wie viele Länder zu richten? Wie gelingt diese Dimension? W. Griffiths: Heute ist Seat weltweit in 80 Ländern, insbesondere in Europa, vertreten, aber unsere Autos werden auch in Amerika, Asien und Afrika vermarktet. Die ersten Schritte zur Internationalisierung von Seat wurden in den 1980er-Jahren in den benachbarten europäischen Ländern unternommen, allerdings wurden damals auch die Weichen für zukünftige Geschäfte im Nahen Osten und in Asien gestellt. Im Jahr 2016 konnten wir unseren Umsatz das vierte Jahr in Folge um 2,2 % auf 408.703 Fahrzeuge steigern. Ein enormer Zuwachs, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Herstellung des Seat Altea im Jahr 2015 eingestellt wurde und die Einführung des neuen SUV Ateca Mitte 2016 stattgefunden hat. In Europa konnte Seat seinen Umsatz bei den Endkunden erneut um 2,2 % steigern und das Wachstum der vergangenen Jahre auf den meisten Märkten fortsetzen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere unser Wachstum in der Türkei (41,5 %) und Israel (6,2 %) und unsere Entwicklung in Mexiko hervorzuheben, das als viertwichtigster Markt des Unternehmens gefestigt werden konnte. Modellpolitik AH: Wo steht Seat derzeit und zukünftig modellpolitisch? W. Griffiths: Wie schon erwähnt, befinden wir uns in unserer bisher größten Produktoffensive. Im vergangenen Jahr wurde der Ateca, der erste SUV unserer Marke, eingeführt und wir haben den Leon PA vorgestellt, dessen Verkaufsstart dieses Jahr begonnen hat. In Bezug auf die Technologie, das Design, die Vielseitigkeit und das Fahrverhalten sind beide Modelle wegweisend für die Produktpolitik des Unternehmens. Der Ateca hat uns Zugang zu einem der beliebtesten Fahrzeugsegmente in Europa verschafft und in den kommenden Jahren werden wir unsere Produktpalette mit neuen Modellen vervollständigen, um den Geschmack der größtmöglichen Anzahl an Kunden anzusprechen. Darüber hinaus haben wir in Genf die fünfte Generation des Seat Ibiza präsentiert, des langlebigsten Modells der Marke, das im Laufe seines Bestehens von fast 30 Jahren auch am häufigsten verkauft wurde (5,4 Millionen Fahrzeuge). Dieses neue Modell, das wir vor einigen Wochen im Rahmen einer internationalen Pressekonferenz vorgestellt haben, ist auf sehr positive Resonanz gestoßen. Neben dem Ibiza wird dieses Jahr auch unser Crossover Arona eingeführt: Dieses Modell wurde in Martorell entwickelt und erweitert unsere Produkpalette der SUV, die mit dem Ateca eröffnet wurde. Markendifferenzierung AH: Es entsteht dazu zwangsläufig immer wieder die Frage der Modell-Kannibalisierung innerhalb des VW-Konzerns. Wie gelingt da Markenprofilierung? Markendifferenzierung? W. Griffiths: Seat ist das Unternehmen, das europaweit über die mit Abstand jüngsten Kunden verfügt, deren Alter 10 Jahre unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Darüber hinaus beträgt unser Anteil an neuen Kunden 59 %, das heißt, dass wir in Bezug auf unseren Umsatz innerhalb der Gruppe das Unternehmen sind, das den größten Zuwachs an Neukunden verzeichnet. Das bedeutet, dass wir uns innerhalb der Gruppe als attraktives Einstiegsunternehmen für eine junge Zielgruppe positionieren sollten. Wenn wir ein offenes Ohr für die Bedürfnisse dieser Kundengruppe haben, wissen wir 10 Jahre vor allen anderen Herstellern, welche Ansprüche diese Generation an ihre Fahrzeuge stellt. Vor 30 Jahren hat der Konzern Seat übernommen, um Marktanteile in den Mittelmeerländern hinzuzugewinnen. Heute besitzt Seat einen wesentlich höheren Stellenwert für den Konzern. Seat steht für Design, Emotionen und südeuropäische Leidenschaft. In den letzten Jahren hat das Konsortium den Marken mehr Verantwortung in Bezug auf die Produktion und den Vertrieb übertragen. Das bedeutet, dass wir mehr Freiheiten besitzen, um unseren ganz eigenen Charakter zu unterstreichen und unsere ganz besonderen Kompetenzen zu betonen. Vertriebspolitik AH: Worin unterscheiden sich die einzelnen Länder in Sachen Vertrieb? In Sachen Händlernetzpolitik? W. Griffiths: Seat genießt eine starke Marktposition in Deutschland, Österreich, Schweiz und unserem Heimatmarkt Spanien. Größten Aufholbedarf in Europa sehe ich in Italien und Frankreich. Im Punkt Händlernetzpolitik ist bereits einiges in den letzten Jahren passiert - viele Investitionen in neuen Showrooms und in CI /CD. Die Märkte unterscheiden sich teilweise in ihrer Auswahlpolitik der Investoren - eine Mischung aus Händlergruppen der Konzernmarken oder "unabhängige" kleinere Händler. Renditepolitik AH: Halten Sie an der Zielsetzung von 3 Prozent Rendite für den Automobilhandel auch bei Seat fest? W. Griffiths: Meine feste Überzeugung war schon immer, dass ein profitables Netzwerk für den Erfolg der Investoren, Vertragshändler und der Marke selbst von grundlegender Bedeutung ist. Im Fall von Seat arbeiten wir an der Ausweitung des Dienstleistungsangebots der Vertragshändler und einer verstärkten Kundenbindung sowie an der Umsetzung von Maßnahmen, mit denen die Rentabilität zusätzlich zum Vertrieb der Fahrzeuge gesteigert werden soll. Auch hier muss berücksichtigt werden, dass alle Marken mit unterschiedlichen Gewinnmargen arbeiten. Die Gewinnmarge beim Verkauf eines gewöhnlichen Kleinwagens ist nicht dieselbe wie die beim Verkauf eines größeren Fahrzeugs mit Oberklasse-Ausstattung. Oder anders ausgedrückt, ist es nicht dasselbe, Oberklassen- oder Großraumfahrzeuge zu verkaufen. Allerdings kann mit den aktuellen Seat-Modellen die Rentabilität innerhalb des Netzwerks gesteigert werden. Offline- und Online-Handel AH: Wie werden Sie die Grundausrichtung Offline- und Online-Handel für Seat gestalten? W. Griffiths: Die Automobilbranche befindet sich gegenwärtig in einem großen Umbruch: Digitalisierung, selbstfahrende Fahrzeuge, vernetzte Autos ... Solange all dies auf industrieller Ebene geschieht, sind die Veränderungen der Vertragshändler als eher gering einzuschätzen. Ausstellungsfahrzeuge, Test- und Gebrauchtwagen, Werkstatt - all dies spielt nach wie vor und natürlich auch zukünftig eine wesentliche Rolle. Früher war es jedoch so, dass der Kunde vor dem Kauf vier oder fünf Mal das Fahrzeug besichtigt hat, später mit seiner Familie zurückkehrte und eine Probefahrt unternommen hat. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, weil der Kunde viele dieser Schritte schon im Internet unternommen hat: Informationen suchen, Fahrzeug konfigurieren usw. Heutzutage hat der Kunde beim Betreten des Autohauses seine Kaufentscheidung bereits getroffen. Bei Seat haben wir mehrere Initiativen ins Leben gerufen, um das Potenzial des Online-Kanals zu testen, dennoch bleiben die Vertragshändler unser Hauptzugang zu den Kunden. Erwartungen AH: Welche "Wünsche" hat der Seat-Vertriebsvorstand an die Deutsche Seat-Handelsorganisation? W. Griffiths: Deutschland ist unser wichtigster Markt: Im Jahr 2016 haben wir 90.000 Fahrzeuge verkauft, was 22 % des Gesamtumsatzes von Seat entspricht. Für die anstehenden, für unser Unternehmen enorm wichtigen Geschäftsjahre bitten wir unsere deutschen Vertragshändler bei dem Vertrieb der aktuellen Fahrzeuge und der neuen Modelle, die in Kürze erscheinen werden, um ihre volle Unterstützung. Darüber hinaus bitten wir sie um eine nachhaltigere Geschäftsführung mit stärkerer Ausrichtung auf den Kundendienst, sodass die Rentabilität aller Beteiligten und das Vertrauen der Vertragshändler gesteigert werden, da sie auf eine immer umfangreichere Produktpalette zugreifen können, mit der wir auch weiterhin die Gunst der deutschen Kunden erlangen wollen. AH: Herr Griffiths, vielen Dank für das Gespräch! Interview: Prof. Hannes Brachat Kurzfassung Die Einführung von vier neuen Modellen im Jahr 2017 stellt die größte Produktoffensive der Unternehmensgeschichte von Seat dar. Mit dem Ateca gelang der Sprung ins beliebte SUV-Segment, 2017 wird mit dem Arona nachgelegt. Mit den aktuellen Seat-Modellen könne die Rentabilität der Händler gesteigert werden, so Griffiths.

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