HB ohne Filter vom 15. April 2011
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15.04.2011Heute zu den Themen: Der Abzockfaktor Automobil, Das Finale des Auto-Imperiums Spanner, "Sir" Friedrich Karl Bonten tritt ab, Verantwortung.
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11. April – Montag
Der Abzockfaktor Automobil. Der Osterverkehr setzt ein, prompt schlagen die 14.400 Tankstellen preislich im österlichen Einklang wieder kräftig zu. Was müssen sich die 35 Millionen Autofahrer bzw. 54 Millionen Führerscheinbesitzer nicht alles gefallen lassen? Da ist die wackelige bis fragwürdige Einführung des Super E10. Vielfach ist das alte Super E5 teurer wie das E10. Jetzt kommt aus Brüssel die Ankündigung einer neuangelegten Dieselsteuer. Der Diesel soll pro Liter um 30 Cent teurer werden. Bitte, 46 Prozent der Neuzulassungen sind Dieselfahrzeuge. Immerhin hat der Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) klargestellt: "Hände weg von der Dieselsteuer."
Umgekehrt hat der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die Pkw-Maut eingefordert. Seit 2008 müssen wir uns in immer mehr Städten die Feinstaub-Bürokratie gefallen lassen. Trotz Feinstaubplakette hat sich vielfach die Luftqualität in besagten Städten nicht verbessert. Oder denken sie an die gezielte Parkraum-Reduzierung in diversen Städten, das organisierte Raubrittertum im Verbund mit der Tempo-30-Überwachung u.a. Die Ampeln werden vielfach bewusst hintereinander auf Rot geschaltet. Derzeit hätte neben den Grünen eine echte "Autofahrerpartei“ reelle Chancen, um diesem Zockertreiben ein Ende zu bereiten. Mal sehen, wann endlich der Riese ADAC aus den Fugen gerät und seine 17 Millionen Mitglieder aktiviert.
13. April – Mittwoch
Das Finale des Auto-Imperiums Spanner. Es gibt unternehmerische Schicksale, die einen innerlich ganz still machen. Ich erinnere mich sehr gut an Alois Spanner, einem sehr agilen VW-Audi-Seat-Händler in Niederbayern, der in den 1980er Jahren in Dingolfing – im Hoheitsgebiet von BMW – schon 1.000 Neufahrzeuge vermarktete. Spanner agierte außerdem an den Standorten Landshut, Landau und Unterhollerau. Nach der Grenzöffnung war er mit einem weiteren Neubau in Plauen dabei, und später engagierte er sich mit einer weiteren Filiale im rumänischen Targu Mures. 2001 war er dort spurlos verschwunden. Fast ein Jahr später kam ans Tageslicht: Er wurde bestialisch ermordet.
Sein Sohn Albin, Diplom-Kaufmann, übernahm das Firmenimperium. Dieses befand sich aber zu diesem Zeitpunkt bereits in enormen finanziellen Schwierigkeiten. Das operative Geschäft wurde Ende 2005 eingestellt und ging an die Automobilgruppe Dingolfing (AVP) über. Wegen eines verspäteten Insolvenzantrags, Bankrotts, Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, Betrugs und Untreue verurteilte die 4. Strafkammer des Landgerichts Landshut den Sohn zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren, nachdem dieser die Anklagevorwürfe eingeräumt hatte. Die Bewährungszeit wurde auf vier Jahre festgelegt. Neben einer Geldauflage von 2.400 Euro muss Albin Spanner (49) 400 Stunden soziale Dienste leisten.
Ein tragisches Finale! Auch menschlich. Fragt man nach dem "Warum", so werden viele Fragen dazu keine beruhigende Antwort finden. Not macht erfinderisch und endet dann oft in Sackgassen. Gerade in zahlreichen schlaflosen Nächten, die im Dunkeln die Ausweglosigkeit aufzeigen. Man wird zum Getriebenen, sucht nach Lösungen und "gestaltet" aus dem tiefsten Keller heraus, umgeben von Angst, und dennoch will man sich aus dieser Enge und der unternehmerischen Einsamkeit befreien. Man hofft und kämpft… Es ist nun mal so: Eine Insolvenz mit all ihren Verstrickungen ist die größte "Strafe" des Marktes. Aber nicht jede Insolvenz hat diese tragischen Züge wie in den Nachwirkungen um diesen wirklich rührigen und pfiffigen Vollblut-Autohändler Alois Spanner.
14. April – Donnerstag
"Sir" Friedrich Karl Bonten tritt ab. In der Verbandsszenerie gibt es ab heute eine Zäsur. Der letzte unerbittliche und unabhängige Kämpfer für die Belange des Automobilhandels, "Sir" Friedrich Karl Bonten, tritt ab. Er hatte vermutlich von allen Markensprechern den Vorsitz eines Markenverbandes am längsten inne. Seit 25. Januar 1989! Seit 3. Mai 1979 gehörte er dem Fiat-Händlerverband an. Ich kenne in meiner 33-jährigen Branchenzugehörigkeit keinen, der so engagiert, geradlinig und konsequent sein Amt mit Leben erfüllt hat wie er. Bonten ist das lebende Prinzip Verantwortung! Und dies verband er mit hoher Kontinuität. Sieht man einmal vom gegenwärtigen Vorstandsvorsitzenden von Fiat Deutschland, Manfred Kantner (seit 2007 im Amt), ab, so hatte Bonten beispielsweise in den sieben Jahren davor allein sieben Vorstandsvorsitzende zu bewältigen! Man erinnere sich der Namen Ruoco, Lehsel, Fricke, Winkelmann, Frei und nun Kantner. Auf jeden muss man sich neu einstellen, hohe Flexibilität und verdammt viel guten Willen mitbringen.
Es wird ohne Frage nun eine Nach-Bonten-Ära im Fiat-Händlerverband anbrechen. Die "alten" Chrysler-Händler haben gerade am Montag dieser Woche in Fulda gezeigt, dass sie lieber einen "pragmatischen" Weg in der Verbandspolitik gehen wollen. Dahinter steht wohl das Prinzip Beliebigkeit, flexible Einzellösungen, sprich mögliche Willkür und personelle Vorzugsvernetzung. Da geht es weniger um klare Ansprüche für das Gesamte, um eine saubere Ausrichtung, um das gerechte Gleichmaß für jeden, um anständiges Wirtschaften, sondern um opportunistisches Austarieren der subjektiven Ausmaße im möglichst direkten Kontakt, um die fürchterliche Situation von Lancia für sich zu optimieren, um über geschicktes Hinhalten Zeit zu gewinnen, bis die oben spüren, dass sich mehr und mehr Händler kleinlaut vom Acker machen, die man dann doch noch final materiell und über Jeep versucht, bei der Stange zu halten. Da wird von beiden Seiten Lancia-mäßig lauwarm gebadet, eine laue Politik gefahren. Und das am 11. April 2011 in Frankfurt vorgestellte "New Lancia"-Management wird so nie und nimmer erfolgreich durchhalten. Deren Austausch ist über diese politische Machart schon heute präjudiziert!
Auf grobe Klötze gehören grobe Keile! Bonten wurde beispielsweise 1992 von Fiat mit einer "Schikane-Kündigung" belegt. Der ZDK mit dem damaligen Präsidenten Fritz Haberl schaltete sich ein. Das ging hoch bis zu EU-Kommissar Martin Bangemann. Der Hersteller musste nach 1,5 Jahren die Händlervertragskündigung zurücknehmen.
Zu gut erinnere ich mich an die Machenschaften von Fiat, wie man hier über Jahre stillschweigend Teile in niedrigere Rabattgruppen verschoben hat – was sicher bei anderen Marken auch passiert –, aber keiner explizit feststellt. Bonten hat das über Jahre juristisch durchgestanden und im Kompromiss dann eine faire Zukunftsregelung erstritten. Aber zuvor versuchte Fiat das erst über mehrere Instanzen und Zeitverhinderungspraxis zu umgehen. Bonten engagierte sich eben nicht nur für die Großen, sondern für die vielen kleinen und mittleren Fiat- und Lancia-Betriebe. Ich lege gleichermaßen großen Wert auf die Feststellung, dass er nie Türen zugeschlagen hat, sondern immer mit großem Stil gekämpft hat. Stil ist Stil! Auch da müsste noch mancher Fiat-Manager bei ihm in die Lehre gehen.
Bonten gelang es über all die Jahre, in "seinem" Fiat-Händlerverband einen hohen Solidarisierungsgrad herzustellen. Er legte dabei immer großen Wert darauf, dass die Fachpresse bei allen Fiat-Verbandsveranstaltungen mit am Tische saß. Getreu seinem Motto: "Tue Recht und scheue niemand". Es gab mit ihm nie eine Frage, was ist unter Pressesicht eine Hol- oder Bringschuld. Er wusste, wann ein Thema "reif" für Transparenz war. Bonten wirkte auch in seiner Zeit aktiv und kreativ im europäischen Fiat-Händlerverband mit und hielt, nein pflegte zahlreiche Kontakte über den Tellerrand! Wie viele Telefonate hat dieser Mann pro Tag geführt? Zu diesen Kontakten gehörten auch einige Vertraute direkt im Fiat-Konzern. Ein unvergessliches Erlebnis verschaffte er mir in Berlin über die persönliche Begegnung mit Fiat-Händler Werner Bab, der schwierige Jahre seines Lebens in verschiedenen Konzentrationslagern verbracht hatte, und mir erklärte, weshalb er über diese Zeit erst die letzten Jahre seines Lebens in der Öffentlichkeit darüber sprach.
Friedrich Karl Bonten war mir über 20 Jahre ein "eiserner Wegweiser", ein treuer, freundschaftlicher, ja liebenswürdiger und sehr großzügiger Begleiter. AUTOHAUS hat ihn dafür schon vor Jahren in den Branchen-Adelsstand gehoben. "Sir Friedrich Karl Bonten, Sie haben sich um die Branche in ganz außerordentlichen Maße verdient gemacht!" Für seine Verdienste hat der 78-jährige 2008 den ersten "Branchen-Oskar" des ZDK erhalten. Selbstredend, dass er auch die ZDK-Ehrennadel in Gold trägt.
Unglaublich, wie er heute selber seinen Abschied inszeniert hat. Er sagte Dank. Und das an verschiedene Adressen. Das verband er stets mit hoher Geschenksymbolik, die er auf alle Betroffenen abstellte und in seiner angestammten Herzlichkeit frei und in rhetorisch einmaliger Form spontan artikulierte. Das tat er in jugendlicher Frische, obwohl er auf 79 Lenze zugeht. Nein, man dürfte ihn nicht gehen lassen, den "letzten Kriegsteilnehmer" in der Verbandsszenerie. Ich sage das mit großem Ernst und hoher Symbolik. Sir Friedrich Karl Bonten, von Herzen Dank und größten Respekt für dieses einmalige Wirken! Die Fiat-Händler und das Fiat-Management dankten ihm mit stehenden und nachhaltigen Ovationen. Da hatte mancher Tränen in den Augen. Bitte, Perlen bedeuten Tränen!
15. April – Freitag
Verantwortung. Welch ein Sprung von Weihnachten bis Ostern! Die Branche legte auf dem Automarkt ein wirklich gutes erstes Jahresquartal hin. Prompt kommt ein GAU, eine Nuklearkatastrophe, und stellt viele Grundsatzfragen. Aus Japan. Japans Regierung hat den GAU lange geleugnet. Das Erdbeben und der Tsunami sind fürchterliche Naturgewalten. Dagegen ist keiner gewappnet. Womit bewiesen wäre, dass nicht alles von Mutter Natur menschlich oder gar gerecht, geschweige denn sozial wäre. Der Schwächere wird weggewischt.
Im Kernkraftwerk Fukushima aber wurde geschlampt, geschummelt, die Sicherheit nicht ernst genommen. BP hat das im Golf von Mexiko am 20. April 2010 ff. ebenso exerziert. Fukushima führte uns allen grundsätzliche Fragen vor Augen. Nicht mehr Kohle und Öl sollen das Wirtschaftswachstum begleiten, sondern Sonne, Biomasse und Wind. Deren Anteil an der weltweiten Energieerzeugung liegt bei 13 Prozent. 2030 wird die Welt doppelt so viel Strom brauchen wie heute. Windräder brauchen Stahl, Solaranlagen Kupfer. Bedeutet eine wachsende Wirtschaft am Ende eine schrumpfende Natur? Tatsache ist: Politik und die Einstellung der Menschen müssen sich ändern. Die Bahn müsste beispielsweise weiter gegenüber dem Auto aufgewertet werden. Wir kommen zum Tempolimit, zur gezielten Umsetzung von Elektrofahrzeugen, Reduzierung schneller Autos usw. Worin liegt wirklich für den Menschen die glückstiftende Wirkung? Da werden Grenzen sichtbar. Ein "Immer mehr" schafft kein verlässliches Glück!
Das Foto links ist entstanden beim Autowaschen. Hallo! Beim Autowaschen! Gibt es etwas Profaneres, als mit alten Putzlappen übers Blech zu schrubben? Die beiden Jungs hier sollten dabei helfen. Sie durften, kleiner Anreiz, auch mal selbst den Hochdruckreiniger bedienen, der spritzt so schön. Das hat dann diesen Nebel gemacht. Und der Nebel, der hat das Sonnenlicht eingefangen, für ein paar Momente. Auf die Ostersonne! (aus chrismon, 04. 2011)
Spruch der Woche:
"Die Klugheit gibt nur Rat, die Tat entscheidet." (Franz Grillparzer)
Auf all die österlichen Symbole, die jedem von uns Orientierung geben und uns menschlich miteinander verbinden!
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Reiner Kopp