Von Claas Hennig, dpa
Der Gedanke war lange undenkbar: die Formel 1 ohne Bernie Ecclestone. Doch nach der Übernahme der selbst ernannten Königsklasse des Motorsports durch den US-Konzern Liberty Media scheint das Ende der 40 Jahre dauernden Alleinherrschaft des Briten gekommen zu sein. Britische Medien berichten bereits, dass der 86-Jährige möglicherweise noch in dieser Woche seinen Posten als Formel-1-Geschäftsführer räumt. Spätestens aber wenn im März noch vor dem Start der neuen Saison in Melbourne der Mega-Deal abgeschlossen ist, scheint kein Platz mehr für den knapp 1,60 Meter großen Ecclestone in der Formel 1 zu sein.
Dass der Milliardär mit den neuen Besitzern des PS-Spektakels fremdelt, hatte er schon vor einigen Monaten verlauten lassen. Sie hätten nicht mit ihm diskutiert, "bevor sie die ersten Anteile gekauft hatten. Deshalb weiß ich nicht, was sie eigentlich wollen", sagte Ecclestone im November in einem Interview dem Fachmagazin "Auto, Motor und Sport". "Jetzt verbringen sie ihre Zeit damit zu überprüfen, was sie da gekauft haben."
Diese Prüfphase scheint beendet. In der vergangenen Woche hatte die Aktionäre von Liberty Media dem Kauf der Mehrheitsanteile an der Rennserie zugestimmt. Anschließend erteilte auch der Weltverband FIA Grünes Licht für die Übernahme. Nur die EU-Wettbewerbshüter könnten das Geschäft noch stoppen.
Liberty Media zahlt 4,4 Milliarden Dollar
Insgesamt soll Liberty Media für die Mehrheit an der Königsklasse des Motorsports 4,4 Milliarden Dollar (etwa 3,93 Milliarden Euro) zahlen. Zudem sollten Schulden von 4,1 Milliarden Dollar übernommen werden. Der Liberty-Anteil soll auf 35,3 Prozent wachsen, das Stimmrecht vollständig bei dem US-Konzern liegen. Bisheriger Hauptgesellschafter war seit 2005 das Finanzunternehmen CVC, das Ecclestone als Geschäftsführer eingesetzt hatte.
Ein konkretes Zukunftskonzept der neuen Formel-1-Lenker ist - zumindest öffentlich - noch nicht bekannt. Eine Rolle für Ecclestone ist scheinbar nicht mehr vorgesehen. Auch die meisten anderen Vorstände im Formula One Management (FOM) sollen laut Medienberichten ihre Positionen verlieren.
Den Posten als Vorstandschef der Rennserie übernahm der frühere TV-Direktor Chase Carey. Für die Vermarktung ist der ehemalige Chef des US-Sportsenders ESPN, Sean Bratches, im Gespräch, für den Sport soll der einstige Ferrari- und Mercedes-Teamchef Ross Brawn künftig zuständig sein.
Geschäftsmodell nicht mehr zeitgemäß
Ecclestone hat nach dem Erwerb der Werberechte 1977 und der TV-Rechte 1978 die Formel 1 zu seinem Imperium gemacht und zu einem Geschäft aufgebaut, das jährlich etwa zwei Milliarden Dollar erlöst. Doch das Geschäftsmodell gilt schon lange nicht mehr als zeitgemäß. In erster Linie nahm er über die Vermarktung und die Gebühren von den Rennstreckenbetreiber Gelder ein. Andere Bereiche wie soziale Medien oder der Verkauf von TV-Rechten hatte Ecclestone gar nicht oder nur unzureichend beachtet. Als "dysfunktional" soll der neue starke Mann Carey laut BBC das Modell bezeichnet haben.
Auch Ecclestones Führungsstil erscheint anachronistisch. Der Brite herrschte und entschied allein. Sein Demokratie-(Un-)Verständnis ähnelt dem des neuen US-Präsidenten Donald Trump und des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin, für die er schon Sympathien bekundet hat.
Liberty Media will die Formel 1 attraktiver und profitabler machen. Es wird erwartet, dass Carey durch die TV-Rechte, eine bessere Digital-Strategie, verstärkte Bemühungen auf dem US-Markt und Investoren-Modelle die Einnahmen weiter steigern will. Zudem soll der Drang nach Asien auf Kosten der europäischen Rennen gestoppt werden.
Ecclestone wird das Ganze wohl von außen beobachten. Immerhin soll Liberty Media ihm laut "The Times" den Posten als Ehrenpräsident der neuen Formel-1-Gesellschaft angeboten haben. Es sei aber nicht bekannt, ob er die Offerte angenommen habe.