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Schrei nach Liebe: Autolobby kämpft um den Diesel

06.07.2016 12:33 Uhr
Weg vom Diesel? Die "Antriebswende" lässt noch auf sich warten.

Der Diesel ist bald tot, lang lebe der Diesel? Das Verhältnis der deutschen Autobauer zu ihrem Vorzeige-Antrieb ist höchst zwiespältig. Sie wollen ihn langfristig überwinden – kommen aber noch lange nicht von ihm los.

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Von Felix Frieler, dpa-AFX, und Jan-Henrik Petermann, dpa

Deutschlands mächtige Autoindustrie und ihr Zugpferd Dieselantrieb – es ist eine komplizierte Beziehung geworden. Über Jahre lief alles bestens. Niedrige Steuern auf den Kraftstoff steigerten dessen Beliebtheit bei den Kunden. Den Herstellern kam das zugute. Sie konnten immer größere, schwerere Spritfresser bauen und trotzdem viele Abnehmer finden. Dank des vergleichsweise günstigen Selbstzünder-Treibstoffs waren auch etliche Dickschiffe im Unterhalt wirtschaftlich. Der Lobby gelang es sogar, dem Diesel im Fahrwasser der europäischen CO2-Ziele das Image eines Klimaretters zu verpassen.

Doch spätestens seit dem Abgas-Skandal ist alles nicht so einfach. Das öffentliche Bild des Antriebs ist bei vielen in Verruf geraten – was auch der Chef des Autoverbands VDA, Matthias Wissmann, am Montag bei der Halbjahresbilanz 2016 offen einräumte: "Das Image der Branche hat erhebliche Kratzer bekommen. Das haben wir uns teilweise auch selbst zuzuschreiben." Bei der Gesetzgebung und bei Abgastests soll genauer hingeschaut werden, ab 2017 sollen die Tests näher an realistische Straßenwerte kommen. Und die Autobauer bieten laut VDA an, Genehmigungsbehörden Einblick in ihre Abgas-Software zu geben.

Kleine Chemiefabriken im Fahrzeug

Schlechte Aussichten für die deutschen Hersteller? Der Dieselanteil an ihren Verkäufen ist – wie bei anderen europäischen Herstellern – hoch. Und sie müssen schon heute kleine Chemiefabriken in ihre Diesel einbauen, damit sie die Grenzwerte einhalten. "Damit ist schon heute absehbar, dass die Abgasreinigung beim Diesel enorm teuer und aufwendig wird", sagte VW-Chef Matthias Müller dem "Handelsblatt".

Fakt ist: Neue Aggregate der Euro-6-Generation stoßen viel weniger Stickoxide (NOx) aus als ältere Exemplare. Große Teile der deutschen Autoindustrie klammern sich grundsätzlich weiter an die Antriebsart. "Die Kunden sind weiterhin von den Vorteilen des modernen Diesel überzeugt", betont Wissmann. Die Neuzulassungen hätten in Deutschland im ersten Halbjahr mit 812.000 einen Höchststand erreicht. Was er nicht erwähnt: Der Dieselanteil an neu auf die Straße gebrachten Wagen ist geschrumpft.

"Ich denke, der Diesel wird gerade aus kleinen Fahrzeugen verschwinden", sagt der Motorenexperte Jörn Getzlaff von der Hochschule Zwickau. Bei teureren Autos falle die kostspielige Abgasreinigung nicht so sehr ins Gewicht – aber bei Kleinwagen werde in absehbarer Zeit ein Punkt erreicht, an dem sich der Diesel nicht mehr lohne.

Auch die neuen Abgastests legen die Latte für die Hersteller höher. Zwar ändern sich die Grenzwerte für den NOx-Ausstoß vorerst nicht, sie dürfen sogar in einem gewissen Rahmen überschritten werden. Doch in den neuen Testverfahren, die ab 2017 in der EU angewandt werden sollen, werden die Autos realitätsnäher gefahren. "Natürlich verschärfen sich die Anforderungen für alle Verbrennungsmotoren", erklärt Getzlaff. Beim Diesel werde es besonders knifflig.

Alternativen Antrieben gehört die Zukunft

In der Branche ist das bekannt. Alternativen Antrieben – ob Batterie oder Brennstoffzelle – gehört die Zukunft. Und nachdem die Industrie der Politik die Kaufprämie für E-Autos entlockt hat, trommelt der VDA nun für noch mehr Hilfe – paradoxerweise für Verbrennungsmotoren: "Aus dem Verkauf dieser Autos mit klassischem Antrieb müssen die Unternehmen die hohen Investitionen in alternative Antriebe finanzieren", macht Wissmann deutlich. "Wenn die Politik diese 'Quelle' zuschüttet, wird der Weg zur Mobilität von morgen verbaut."

Der Diesel also als Brückentechnologie ins dieselfreie Zeitalter mit "Mobilitätswende" – ähnlich wie Kohle und Gas bei der Energiewende? Dass dieser Weg lang werden könnte, darauf deutet der vorerst schleppende Start für die Elektroauto-Kaufprämie hin. Kritiker wie Nabu-Chef Leif Miller hatten schon gemahnt: Solchen Instrumenten müssten weitere Schritte folgen, vor allem der "Abbau der Steuervorteile für den Diesel" und eine "Sonderabgabe auf verbrauchsstarke Autos". Gerade einmal 175 Kunden hatten am Montag einen Antrag auf den Kaufzuschuss gestellt. Das ist online auch erst seit Freitagnacht möglich – aber ein Ansturm sieht anders aus.

VW macht sich schon jetzt Gedanken, wie viel man eigentlich noch in den Selbstzünder investieren will. Während die Abgasreinigung beim Diesel teurer werde, sänken die Kosten der E-Mobilität, sagte Müller vor kurzem dem "Handelsblatt": "Vor diesem Hintergrund wird sich die Frage stellen, ob wir ab einem gewissen Zeitpunkt noch viel Geld für die Weiterentwicklung des Diesels in die Hand nehmen sollen."

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KOMMENTARE


egon samu

07.07.2016 - 10:41 Uhr

Gerade die Politdarsteller die sich mit gepanzerten Autos chauffieren lassen und sinnlos in der Welt herumjetten wollen den Dieselfahrern ein schlechtes Gewissen einreden. Mal von der ideologisch verseuchten heißen Luft abgesehen, die sie täglich absondern...


JS

07.07.2016 - 10:54 Uhr

Welche hohen Investitionen für die alternativen Antriebe? Die kompletten Entwicklungsabteilungen für Motoren, Getriebe, Abgasreinigung können eingespart werden. Lediglich an den Akkus muß noch weiter entwickelt werden.Die Produktion ist auch wesentlich einfacher.


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