Von Michael Gebhardt/SP-X
Es ist nicht lange her, da hielt sich das Automobil-Jahr noch an feste Regeln. Die Branche traf sich zu den großen Messen, in Detroit, Genf, Frankfurt oder Paris, und präsentierte einem gleichermaßen bekannten wie routinierten Publikum Konzept-Studien und neue Serienmodelle. Doch seit einiger Zeit werden dieses Regeln aufgebrochen: Auf High-Tech-Messen wie der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas oder dem gerade stattfindenden Mobile World Congress in Barcelona zeigen IT- und Kommunikations-Unternehmen ihre Ambitionen im Automobil-Sektor, die Hersteller präsentieren keine ganzen Autos mehr, sondern neue Bedienkonzepte, Apps und Service-Angebote und plötzlich interessieren sich Computer-Zeitschriften und News-Blogs für den vierrädrigen Begleiter.
Das Auto wird zum Teil des Internet der Dinge, der allumfassenden Vernetzung von Mensch, Heim und Welt. Wir, so die Zukunftsforscher, steigen bald nicht mehr nur ein, um von A nach B zu kommen, nein, wir leben im Auto, es soll Teil unseres Alltags werden: Ein bisschen Wohnzimmer, ein bisschen Büro, ein bisschen Kinosaal. Das alles funktioniert nur, wenn der Wagen nahtlos in unsere Welt eingebunden ist, also mit unserem Smartphone kommunizieren kann, unser Amazon-Konto kennt und unsere Heizung steuern kann. Und genau auf diesem Gebiet brauchen die etablierten Autobauer Unterstützung aus der IT-Branche – wer hundert Jahre lang Blech verformt und Motoren optimiert hat, wird nicht über Nacht zum Experten für Bits und Bytes.
Wie schnell die Hersteller allerdings lernen, zeigt zum Beispiel Mercedes. Auf dem Messestand in Barcelona präsentiert sich der Stuttgarter Hersteller Start-up-jugendlich und rückt unter anderem seine Connectivity-Sparte Mercedes Me ins Rampenlicht. Die greift das bereits auf der CES gezeigte Wohlfühl-Konzept Fit & Healthy auf, diesmal allerdings ohne direkten Bezug zum Auto. Ging es in Las Vegas darum, mit der Sitzmassage oder über Musik und Beduftung für ein gutes Gefühl während der Fahrt zu sorgen, steht jetzt die komplette Einbindung in den Alltag im Fokus. Ein Beispiel: Das System kennt den Kalender und die aktuellen Staudaten, also berechnet es individuell, wann der Wecker klingeln muss.
Außerdem präsentieren die Stuttgarter ihre neuesten Entwicklungen im Bereich Virtual Reality: Anstatt sich mit zweidimensionalen Konfiguratoren oder einem Papierkatalog rumzuschlagen, kann der Kunde sein Wunschfahrzeug im Autohaus zukünftig in 3D erleben. Mithilfe einer Virtual-Reality-Brille lassen sich verschiedene Ausstattungsdetails live verändern und der Käufer kann einen virtuellen Spaziergang durch sein neues Auto unternehmen. Ganz ohne Brille ist in Barcelona zudem eine Weiterentwicklung an Daimlers Bedien-Software zu bestaunen: Im neuen E-Klasse Coupé kommt das jüngste Update zum Einsatz, bei dem die beiden übergroßen Displays im Armaturenbrett deutlich besser synchronisiert sind. Heißt: Stellt der Fahrer im ehemaligen Kombiinstrument beispielsweise den Sportmodus ein, wird auch die Grafik auf dem Infotainmentbildschirm in der Mittelkonsole angepasst. Hier gab es früher eine kleine Verzögerung, deren Beseitigung inzwischen so gefeiert wird, wie früher ein paar PS mehr.
Der Innenraum der Zukunft
Aber auch die anderen Autobauer schlafen nicht: Peugeot etwa hat die für den Genfer Salon angekündigte Premiere seiner Studie Instinct vorgezogen und enthüllte das Konzeptfahrzeug in Barcelona. Die Franzosen wollen damit demonstrieren, wie sie sich den Innenraum der Zukunft vorstellen, schließlich muss der Fahrer demnächst beschäftigt werden, wenn das Auto von alleine fährt.
Während auf der Messe überall von 5G, also dem neuen High-Speed-Internet die Rede ist, und Intel demonstriert, wie man die neue Technik in der Antenne eines 5er BMW unterbringen könnte, packt Ford erstmal noch 4G ins Auto. Am Rande des Mobile World Congress hat der Hersteller angekündigt, zusammen mit Vodafone seine europäischen Modelle mit einem LTE-Modem auszurüsten. Aber auch der Telefonanbieter selbst zeigt an seinem Stand eine Studie und beschäftigt sich mit den Thema Virtual Reality – in dem scheibenlosen Fahrzeug sehen die Insassen die Welt nur noch über Bildschirme. Fast schon bodenständig mutet dagegen Infineons neue Lade-Lampe an: In eine Straßenlaterne hat der Halbleiter-Experte eine Steckdose integriert, an der E-Autos Strom tanken können. Gleichzeitig kann die Leuchte sich aber auch selber dimmen und per Radar die Umgebung nach freien Parkplätzen absuchen. Die wiederum könnten dann über einen Server an die Autos gesendet, die gerade in der Gegend umherfahren. Wenn diese denn vollvernetzt und online sind.