Von Michael Specht/SP-X
Ziemlich laut geben sich die Modelle von AMG nur hinten heraus. Der Kunde will das so, heißt es aus Affalterbach, dem Heimatort der renommierten Mercedes-Tochter. Umso dezenter sind die Töne, geht es um Zukunftsthemen. Die Mitbewerber in München und Ingolstadt sollen es nicht zu leicht haben mit ihren Hochleistungsmodellen. Verständlich. Auch Prognosen zum Absatz kommen AMG nicht über die Lippen. Man fürchtet, öffentlich Kritik einstecken zu müssen, wenn die Zahlen dann hinterher nicht stimmen. Dabei werden sie ein jedes Mal übertroffen.
So wie vergangenes Jahr, als sich Geschäftsführer Tobias Moers in Detroit dann doch mal zu einer Aussage verführen ließ. Ausgehend von einem Absatzvolumen in 2014 von 47.000 Einheiten erwartete der AMG-Chef bis 2017 einen Gesamtabsatz von 65.000 Fahrzeugen. Wie sich heute zeigt, eine sehr konservative Einschätzung. Vor wenigen Tagen in Detroit verkündete Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche nun die Hammerzahl: 100.000. Nie zuvor in der knapp fünfzigjährigen Firmengeschichte von AMG entschieden sich weltweit mehr Kunden für die Power-Fahrzeuge aus Affalterbach.
Fast alle Modelle verkaufen sich wie die sprichwörtlichen "heißen Semmeln". Die C-Klasse bleibt das meistverlangte Fahrzeug im Portfolio. Einen Schub haben die Kompakt-Modelle auf MFA-Plattform gebracht, für viele der Einstieg in die AMG-Welt. Geschickt war auch die Einführung der sogenannten 43er-Modelle (Sechszylinder-Benziner). Sie gelten als Brückenglieder zwischen den höchsten Motorisierungen der Mutter Mercedes und den Performance-Modellen der Tochter AMG. Anfangs hießen sie noch "Sportmodelle" und trugen die dreistellige Typenbezeichnung 450 am Heck. Mit Einführung des SLC (zuvor SLK) im Frühjahr 2015 wurde die Nomenklatur komplett auf 43 umgestellt.
Auswahl ist reichlich vorhanden
Der Laden brummt. Eine Tendenz-Umkehr scheint nicht in Sicht. Und Auswahl ist bei AMG reichlich vorhanden. "Wir bieten 48 Modelle und Varianten an", so AMG-Chef Moers. Jüngstes Schmankerl der Schwaben ist der E 63 S 4Matic. Aus der Taxi- und Business-Limousine zaubert AMG einen Hochleistungssportler mit 612 PS. Bestückt ist der E 63 mit einem hauseigenen 4,0-Liter-Biturbo-V8 (intern M 176), den AMG erstmals als nichtgetunte Version (M 177) an die Mutter nach Stuttgart liefert. Die S-Klasse wird diesen Motor ab ihrer Modellpflege im Sommer unter der Haube tragen. Auch die Kooperation mit Aston Martin beinhaltet die Lieferung des besagten Power-V8. Von Mercedes erhalten die Briten zudem die gesamte Elektronik-Architektur. Der M176/177 bindet nahezu die gesamte Fertigungskapazität von AMG. So wurde bereits die Produktion des mächtigen V12-Zylinders nach Mannheim verlegt.
In ganz anderen Sphären bewegt sich das sogenannte Hypercar, das sich AMG zum 50-jährigen Firmenjubiläum als Geschenk selbst vor die Tür stellt. Der Straßen-Rennwagen ist ein rollender Superlativ aus Karbon mit Technik aus der Formel 1. Er soll einmal mehr die Kompetenz im Hochleistungssegment untermauern. Als Antrieb dient ein Powerpaket, das aus einem bis zu 10.000/min drehenden 1,6-Liter-V6 plus zwei E-Maschinen besteht. Letztere teilen sich die Arbeit auf. Der kleinere Elektromotor (zirka 60 kW / 81 PS Leistung) treibt ausschließlich einen Verdichter an, der größere (zirka 80 kW / 109 PS ) ist fürs Boosten, Rekuperieren und das elektrische Fahren zuständig. Die Gesamtausbeute soll auf jeden Fall oberhalb 1.000 PS liegen.
Debüt auf der IAA in Frankfurt
Das Hypercar (Serienname wird noch gesucht) wird sein Debüt auf der IAA in Frankfurt im September haben. Einen genauen Preis nennt Tobias Moers nicht, gibt aber eine grobe Richtung vor: zwei Millionen Euro netto. Zu lesen ist aber auch schon von drei bis vier Millionen. Die infrage kommende Klientel wird’s nicht stören. Geplant ist eine limitierte Auflage von zirka 300 Exemplaren. Verkauft wird in alle relevanten Märkte, was die Zertifizierung eines solchen Fahrzeugs nicht eben einfacher macht.
Natürlich dient das Hypercar in erster Linie als Imageträger der Marke AMG, gleichzeitig aber als eine Art Blaupause für die zukünftige Elektrifizierung der Antriebspalette. Auch in Affalterbach muss man sich zähneknirschend den CO2-Forderungen beugen, schon aus gesellschaftspolitischen Gründen. Laut Chef Moers bestehe aber derzeit noch kein Zugzwang. "Unsere Kunden erwarten jedoch, dass AMG hier tätig ist und Performance mit Effizienz in idealer Weise unter einen Hut bringen wird."