Von Michael Specht/SP-X
Warum nicht bei uns? Diese Frage stellt man sich bereits nach wenigen Kilometern im Honda Clarity Fuel Cell. Die knapp fünf Meter lange und etwas eigenartig gestylte Limousine fährt nicht nur herrlich leise und komfortabel, sondern obendrein auch abgasfrei. Allerdings bleibt dieses Vergnügen Japanern und Amerikanern vorbehalten. Nur zu Hause und in der Neuen Welt gibt es den Clarity zu kaufen, in Europa bietet Honda das Öko-Auto nicht an.
Der Grund? Vor einigen Jahren, als die Entscheidung anstand, nach dem FCX die zweite Generation des Brennstoffzellen-Autos ins Modell-Portfolio aufzunehmen, hob nur Honda Amerika die Hand und sagte: "Ja, wir wollen." Jetzt geht der Kunde dort zum Händler und erhält ein Angebot, das er einfach nicht ablehnen kann. Zu kaufen ist der Clarity zwar nicht, man muss den Wagen für drei Jahre leasen. Das kostet lediglich 369 Dollar im Monat. Ein lächerlicher Betrag in Relation zur Größe und Leistung des Wagens. Zusätzlich erhält der Clarity-Kunde 15.000 Dollar als eine Art Tankgutschein (was etwa zehn Jahre reichen würde) sowie von Avis einmal pro Jahr einen 20-Tage-Pass, mit dem man beispielsweise ein Auto für den Urlaub mieten kann (falls mal mehr Gepäck mitmuss).
Klar ist so etwas für Honda ein dickes Zusatzgeschäft, aber anders lässt sich eine neue und alternative Technik anfangs nicht im Markt etablieren. Diese Erfahrung dürften auch Toyota mit Mirai und Hyundai mit dem ix35 Fuel Cell machen. An etwaige Gewinne ist nicht einmal in Jahren zu denken.
"Abfallprodukt" ist Wasser
Im Grund seines Antriebs ist der Honda Clarity ein Elektroauto. Sein Strom kommt aber nicht aus einer Batterie, sondern wird in Brennstoffzellen generiert. Daher die englische Bezeichnung Fuel Cell, zu deutsch: Brennstoffzelle. In den nur wenigen Millimeter dicken Zellen entsteht elektrochemisch Strom, sobald Wasserstoff und Luft zusammengebracht werden. Als "Abfallprodukt" bleibt Wasserdampf zurück. Ein sehr sauberer Prozess also, vorausgesetzt, das Wasserstoffgas stammt aus regenerativer Herstellung (Sonne, Wind, Biomasse, Wasserkraft).
Wunderbar geschmeidig zieht der Clarity los. Man hat das Gefühl, in einer Luxuslimousine zu sitzen. Reisen statt rasen. Und auch wenn der Elektromotor "nur" 130 kW / 174 PS leistet, er reicht für alle Art von Alltagssituationen vollkommen aus. Hinzu kommt das üppige Drehmoment von 300 Newtonmetern, das praktisch vom Stand weg anliegt. An Reichweite verspricht Honda nach der EU-Norm rund 650 Kilometer. Dann wären die fünf Kilo Wasserstoff verbraucht. Während unserer Testfahrt rund um Kopenhagen erreichten wir diesen Wert nicht. Im Display war trotz zurückhaltender Fahrt (strenges Tempolimit von 110 km/h) ein Verbrauch von 86,5 Kilometer pro Kilo H2 angegeben, was bedeutet, die Fahrt wäre nach etwa 430 Kilometern zu Ende.
Gegenüber dem Vorgänger ließ Honda eine Vielzahl vom Verbesserungen in den Clarity einfließen. Die wohl wichtigste ist der "Stack", das Brennstoffzellen-Paket. Zuvor saß es, groß wie ein Handgepäckkoffer, aufrecht zwischen den Vordersitzen, was natürlich den Platz im Innenraum einschränkte. Jetzt haben die Ingenieure das Teil um ein Drittel im Volumen verkleinert, die Zellen dünner gemacht, ihre Anzahl verringert, gleichzeitig deren Leistung um 50 Prozent erhöht. Damit haben die Honda-Zellen nicht nur den besten Effizienzwert in der Branche, sondern der gesamte Zell-Kasten passt nun mit unter die Motorhaube. "Wir konnten den Clarity so zum vollwertigen Fünfsitzer machen", sagt Thomas Bachmann, bei Honda verantwortlich für die Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie.
Ladevolumen auf VW-Polo-Niveau
Eine letzte "Problemzone" hat die Limousine nur hinten. Denn unter der Hutablage sitzt ein 117 Liter großer Drucktank für den Wasserstoff. Der dicke Zylinder nimmt damit dem Kofferraum so einiges an Ladevolumen. Die restlichen 334 Liter haben VW-Polo-Niveau. Großartige Reisen mit vier oder fünf Personen plus Gepäck an Bord lassen sich mit dem Clarity also nicht machen. Auf der Infrastrukturseite mangelt es natürlich weiterhin an Wasserstoff-Tankstellen, selbst wenn in Deutschland wie versprochen bis zum Ende des Jahres 50 Säulen aufgestellt sein sollten.
Insgesamt kommen zehn Fahrzeuge nach Europa, drei fahren bereits in London, drei weitere in Kopenhagen. Sie sind Bestandteil des sogenannten HiFive-Projekts, zu dem sich 37 Partner aus Industrie und Autobranche zusammengeschlossen haben. Mit dabei sind BMW, Daimler. Honda, Hyundai und Toyota. Die Clarity-Modelle werden im Zweimonats-Rhythmus an Familien gegeben, sämtliche Fahrdaten und Nutzungsprofile aufgezeichnet. Im November läuft HiFive aus, gefolgt von H2ME, dem Wasserstoff-Mobility-Europe-Projekt der Europäischen Kommission. H2ME geht bis 2022. Dann sollen die Clarity mindestens 22.000 Kilometer auf dem Tacho haben.
Zu hoffen ist, dass dann die nächste Generation des Clarity oder irgendein anderes Honda-Brennstoffzellenmodell auch für europäische Kunden ganz regulär zu kaufen sein wird. Diesen Wunsch müsste allerdings schon heute ein Herr Yoshiaki Ikehata, Präsident Honda Deutschland, seinem Kollegen Katsushi Inoue, Präsident Honda Motor Europe, mitteilen, damit dieser dann seinem obersten Chef in Japan, Herrn Takahiro Hachigo informiert. Nur zu, Honda!
D. Scharlau