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Expertenstreit bei AUTOHAUS: Braucht der Autohandel ein neues Geschäftsmodell?

22.11.2016 16:00 Uhr
Neuwagen- und Gebrauchtwagenmarkt brummen, die Zinsen sind im Keller, und trotzdem wird im deutschen Automobilhandel kaum Geld verdient.
© Foto: Fotolia

Um die in AUTOHAUS vorgestellten Ideen des Vertriebsexperten Walter Missing für eine neues Geschäftsmodell im Automobilhandel hat sich eine hitzige Diskussion entwickelt.

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In AUTOHAUS 19 und AUTOHAUS 20 hat Branchenexperte Walter Missing in einem zweiteiligen Grundsatzbeitrag die Unzulänglichkeiten des aktuellen Vertragshändlersystems aufgezeigt und seine Vorstellungen und Ideen für ein zukünftiges Geschäftsmodell für den markengebundenen Automobilhandel entwickelt. Ein Kernpunkt dabei war die Frage, wie sich der stationäre und der digitale Vertrieb unter einem Vertragsdach gestalten lässt.

Zu diesem Beitrag erhielt die AUTOHAUS-Redaktion zwei kritische Kommentierungen von ZDK-Vizepräsident Ulrich Fromme und von Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Genzow, die akutell als Leserbriefe in AUTOHAUS 22 erschienen sind. Im Zentrum dieser Kritik steht die von Missing favorisierte Fortentwicklung der Hersteller-Händler-Beziehung im Rahmen eines modifizierten Franchise-Systems. Auf diese Schreiben hat nun wiederum Missing geantwortet. (ra)

Die vollständigen Artikel von Walter Missing in AUTOHAUS 19 und AUTOHAUS 20 sowie die Entgegnungen von Christian Genzow und Ulrich Fromme finden Sie unten als PDF-Download!

Die aktuelle Erwiderung Missings auf seine Kritiker lesen Sie hier:


Geschäftsmodell "Zukunft"

Mit meinen nachfolgenden Ausführungen beziehe ich Stellung zu den Leserbriefen des ZDK-Vizepräsidenten, Herrn Ulrich Fromme sowie von Herrn Prof. Dr. Christian Genzow in AUTOHAUS Heft 22-2016.

Als Verbandsanwalt steht Herr Prof. Dr. Genzow in den in meinen beiden Artikeln aufgeworfenen Fragen dem ZDK und Herrn Fromme zwangläufig sehr nahe. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass beide Herren in ihren Leserbriefen in das gleiche Horn stoßen. Ob man meine Abhandlungen nun als "Neues Geschäftsmodell" oder "Neuer Wein in alten Schläuchen" bezeichnet, ist eine Diskussion, die ich nicht führen möchte. Es geht mir um die Zukunft des vertragsgebundenen Automobilhandels. Und da hat offensichtlich Herr Fromme nicht nur andere Vorstellungen sondern – rückblickend – auch andere Erinnerungen. Zum einen bin ich länger draußen im Autohausgeschäft tätig als Herr Fromme, das müsste er wissen, zum anderen möchte ich in diesem Zusammenhang nur kurz auf unsere Auseinandersetzung in Sachen Urheberrechte zum "Geschäftsmodell" aus dem Jahre 2010 hinweisen. Der ZDK, vertreten durch Dr. Koblitz, hatte damals Herrn Fromme durch eine Erklärung und einen Verzicht vor juristischen Folgen bewahrt. Was hat Herr Fromme als ZDK-Sprecher des deutschen Automobilhandels seither in der Sache selbst für den deutschen Automobilhandel vorzulegen? Dennoch finde ich gut, dass sich die institutionellen Vertreter wie geschehen artikulieren.  

Im Wesentlichen ging es mir im ersten Teil der Artikelserie vor allem darum deutlich zu machen – und das habe ich mit aktuellem Zahlennachweis detailliert herausgearbeitet – , dass die wirtschaftliche Basis des markengebundenen Automobilhandels aufgrund der Renditesituation insbesondere im Neuwagenverkauf nicht zukunftsfähig ist. Und das trifft seit vielen Jahren zu, ist aber ein unhaltbares Faktum! Im zweiten Teil ging es mir um die einschlägigen Neuerungen für die Branche. Und da steht ganz vorne das Thema Digitalisierung. Hinzu kommen das Thema "Submarke", die Frage der "freien Neuwagen-Vertriebsachsen" über Sixt & Co. und das große Thema "Daten" einschließlich deren Zugang und Verwendung.

Herr Prof. Dr. Genzow macht in seinem Leserbrief einmal mehr deutlich, dass er streng am juristischen Detail argumentiert und damit tendenziell mehr Probleme schafft, als Probleme löst. Nur beiläufig sei erwähnt, dass Herr Prof. Dr. Genzow bei Gott nicht alle Fälle vor Gericht erfolgreich abgeschlossen hat. Das gilt auch für die aktuelle Diskussion. Rein juristisch betrachtet mag die von mir im Zusammenhang mit dem neuen Geschäftsmodell gewählte Bezeichnung "Preishoheit" nicht haltbar und kartellrechtlich auch unzulässig sein. Sprechen wir deshalb stattdessen von "Preisverantwortung". Die hat nun mal der Hersteller – neben der Produkt-, Marken- und Vertriebsverantwortung.

Wir müssen einen Weg finden, wie wir den stationären und den digitalen Vertrieb unter einem Vertragsdach im Automobilhandel zukunftsgerecht gestalten können. Das ist mein grundsätzliches Anliegen. Und das wird eben – so sehe ich das und habe ich das auch eingehend begründet – nur über ein noch engeres Miteinander zwischen Hersteller/Importeur und Handel erfolgreich zu gestalten sein. Kooperation ohne Wenn und Aber ist angesagt! Glaubt denn jemand wirklich im Ernst, jeder Händler könne seine eigene digitale Welt entwickeln? Von der Online-Probefahrt und der Online-Serviceterminvergabe über die papierlose Dialogannahme und die papierlosen Prozesse im GW-Management bis zur digitalen Schulung und der Zusammenführung und Nutzung aller gegenwärtigen und zukünftigen Daten?!

Der Handel der Zukunft wird für die Autohäuser die Überschrift "Location-based Services" tragen. Reale und virtuelle Welten werden verschmelzen – mit allen Chancen für den stationären Handel und seine Showräume, die Herr Fromme nicht mehr braucht. Auf der heutigen Vertragsbasis wird das alles jedoch mit Sicherheit nicht umzusetzen sein. Deshalb brauchen wir ein neues Geschäftsmodell. Und die Vertragsbasis könnte – auch wenn Herr Prof. Dr. Genzow das anders sieht – ein Franchisesystem sein. Hierzu ist die Vorstellungskraft für einen Neuanfang notwendig. Bessere Ideen sind herzlich willkommen.

Ich bin gespannt auf Herrn Frommes Auftritt beim nächsten Fabrikatshändler-Kongress. Er mag sich im Januar 2017 einmal mehr auf 500 Kongressteilnehmer zum Thema "Daten" freuen. Aus meiner Sicht kann man die Thematik "Daten" nicht mit einem Kongress abarbeiten. Dazu bedarf es einer fundierten Basis und politischer wie vertragsrechtlicher Vorlagen. Dazu liegt zur Stunde seitens des ZDK ein EU-Papier vor, wie gesichert wird, dass freie Werkstätten Zugang zu den Daten beim "vernetzten Auto" erhalten. Aber wo bleibt das EU-ZDK-Papier für den markengebundenen Automobilhandel? Dazu sollten sich die Verantwortlichen des ZDK die aktuelle Stellungnahme der Österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zum Vorbild nehmen. Sie zeigt, was kartellrechtlich alles machbar ist.

Zum Schluss noch eine Klarstellung zu der von mir angesprochenen Preishoheit im Zusammenhang mit einem Franchisevertrag. Es ist dem Franchise-Geber seit der Neufassung der seit dem 01. Juni 2010 geltenden EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindungen (EU-VO 330/2010) gestattet, bei Verkaufsförderungsaktionen dem Franchise-Nehmer die Preise vorzugeben, d.h. eine Preisbindung zu vereinbaren – vorausgesetzt, die Verkaufsförderungsaktion dauert nur einen kurzen Zeitraum und beeinträchtigt ansonsten die Preishoheit des Franchise-Nehmers nicht spürbar. Dies ist zugleich die Konsequenz der BGH-Entscheidung vom 08. April 2003 (GRUR 2003, 637 – Duplo-Riegel). Wie bereits oben eingeräumt, wäre es insofern sicher besser gewesen, die Begrifflichkeit "Preisverantwortung" zu verwenden, um kartellrechtlich nicht anzuecken. Die weiteren Vorteile eines Franchisesystems mit seinen vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten will ich hier nicht wiederholen sondern stehe gerne für eine diesbezügliche Diskussion zur Verfügung.

Mit freundlichen Branchengrüßen,

Walter Missing


Wir möchten diese spannende Debatte auf eine breitere Ebene stellen und laden alle interessierten Autohändler ein, eigene Ideen einzubringen. Was ist Ihre Meinung: Wie muss sich der Automobilvertrieb für die Zukunft aufstellen? Ist ein neues Geschäftsmodell notwendig? Wo drück der Schuh am meisten? Diskutieren Sie mit!

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KOMMENTARE


Dieter Olk, Bitburg

22.11.2016 - 18:58 Uhr

Herr Missing ist meiner Meinung nach auf einem guten Weg! Änderungen müssen her, BEVOR dem etablierten Handel in der jetzigen Form und Struktur die Luft ausgeht. Über "neue Wege" muss diskutiert werden. Hersteller & Handel sind gefordert, wobei sich i.d.R. die Hersteller am schwersten tun. Ihre Manager achten primär auf ihr Wohl; denken oft kurzfristig und sind ggf dann mal eben weg, wenn es schief geht. Sehr viele haben alleine schon in der Modellpolitik versagt. Zukunft können die wenigsten Manager; hier sollte also der Handel Herstellerübergreifend aktiv werden. Händlerverbände aller Marken, verbindet euch! Brainstorming ist ein erster guter Schritt für Veränderungen!


Caspar A. Löfken

22.11.2016 - 22:32 Uhr

Die Diskusion ist spannend, führt aber so zu keinen Ergebnis!Mit einfachen Worten zusammengefasst: Alle möchten das Gleiche: Sichere Rendite im Handel.Der Schlagabtausch zwischen Herrn Walter Missing und Herrn Prof. Dr. Genzow sowie Herrn Ulrich Fromme ist nicht zielführend.Dabei ist die Lösung einfach:Wir brauchen kein Franchisesystem, aber der Grundgedanke ist richtig.Der Hamburger in den MC-Donalds Filialen kostet überall das gleiche. Wettbewerb besteht zu Burger King.Übertragen heißt dieses: Es kommt auf die Wettbewerbsfähigkeit des Herstellers an.Der Handel soll verkaufen zum Preis vom Hersteller. Dann stimmt auch die notwendige Rendite.Die neuen Antriebe bieten die einmalige Chance dieses umzusetzen.Die traditionellen Antriebe haben keine wirkliche Chance. Die Notwendigkeit immer der Billigste zu sein ist für alle ruinös.Es gibt keine Gewinner!Ich kann nur appelieren es nicht auszuhebeln.Qualitativer Wettbewerb ist das Zauberwort.In diesem SinneCaspar A. Löfken


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