An den für 2018 geplanten Fahrverboten für viele Dieselfahrzeuge in Stuttgart scheiden sich die Geister: Während die Autobranche "intelligentere" Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität fordert, lobte der Deutsche Städtetag: Stuttgart gehe mit gutem Beispiel voran.
Die grün-schwarze Landesregierung hatte sich am Dienstag darauf geeinigt, ab dem kommenden Jahr an Tagen mit extrem hoher Schadstoffbelastung zentrale Straßen im Talkessel für viele Diesel-wagen zu sperren. Betroffen sind Fahrzeuge, die nicht die strengste Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Land und Stadt begründeten ihren Schritt damit, dass ihnen aufgrund der gültigen Rechtslage und drohender Strafzahlungen an die EU die Hände gebunden seien. Die EU-Grenzwerte seien nur einzuhalten, wenn die Zahl der Diesel in der City deutlich verringert werde.
Er befürchte, dass man an Fahrverboten nicht vorbei komme, sagte Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. Blaue Plaketten für schadstoffarme Dieselautos seien eine gute Idee. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte am Dienstag angekündigt, sich mit seinem Vize Thomas Strobl (CDU) in Berlin noch einmal für die neue Plakette einzusetzen, die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) beharrlich ablehnt. Das SPD-geführte Bundesumweltministerium hingegen applaudierte Stuttgart.
Blaue Plakette wohl erst 2020
Die bundesweite Einführung der blauen Plakette gilt als einfachste Lösung, vergleichsweise schmutzige Fahrzeuge aus den Städten auszusperren. Erhalten würden sie Benziner, die die Abgasnorm Euro 3 einhalten und Diesel, die mindestens Euro 6 schaffen. Flächendeckend eingeführt werden soll die Plakette erst, wenn 80 Prozent der Flotte die Vorgaben erfüllen – nach Schätzungen frühestens im Jahr 2020.
Das Verkehrsministerium teilte in Berlin mit, Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität sollten "nicht die Mobilität einschränken oder die Bürger und die innerstädtische Wirtschaft belasten". Es sei nicht wirkungsvoll, Autos mit Verboten zu belegen, die nur ein- oder zweimal im Monat in die Stadt führen. Schadstoffe ließen sich besser reduzieren, wenn etwa Taxis, Busse, oder Behördenfahrzeuge, die ständig in der Stadt unterwegs seien, mit "alternativen Antrieben" ausgerüstet würden.
Die Mehrheit der Deutschen befürwortet Fahrverbote für Dieselautos mit hohem Schadstoffausstoß in Stadtteilen mit besonders schlechter Luft. In einer von der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Auftrag gegebenen und am Mittwoch veröffentlichen repräsentativen Emnid-Umfrage sprechen sich 61 Prozent für solche Verbote aus.
Unter "den schlechten Lösungen" noch die vertretbarste
Das Baden-Württembergische Kraftfahrzeuggewerbe lehnt die Fahrverbote ab. Es gebe bessere Wege, sagte Präsident Harry Brambach. Unter "den schlechten Lösungen" sei das aber noch die vertretbarste. "Damit erstrecken sich die Einschränkungen auf einige Tage im Jahr mit ungünstiger Wetterlage und auf einen eng begrenzten Raum."
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) mahnte ebenfalls intelligentere und schneller wirkende Maßnahmen als temporäre oder gar dauerhafte Verkehrsbeschränkungen für einen Großteil der Dieselautos an. Kurzfristig umsetzbar sei etwa eine Grüne Welle. Ein gleichmäßiger Verkehrsfluss bringe eine Reduktion der Stickoxidemissionen um fast ein Drittel. Laut VDA fährt ein Drittel des gesamten Pkw-Bestandes in Deutschland mit Diesel, nur zehn Prozent davon erfüllen die Euro-6-Norm. Nach Angaben des Landes liegt in der Autostadt Stuttgart der Diesel-Anteil an der Fahrzeugflotte sogar bei 50 Prozent. Laut Stadt sind in Stuttgart 107.000 Diesel zugelassen.
Flächendeckende Fahrverbote unwahrscheinlich
Der Städte- und Gemeindebund hält flächendeckende Fahrverbote gegen Feinstaub für unwahrscheinlich. "Dass wir jetzt flächendeckend in deutschen Städten – auch in Extremsituationen – Fahrverbote bekommen, das glaube ich nicht", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg in "SWR aktuell". Seiner Einschätzung nach können Verbote ohnehin nicht zu feinstaubfreien Innenstädten beitragen. "Es kommt teilweise aus den Reifen, es kommt teilweise aus dem Straßenabrieb – das ist also sehr viel komplizierter, so dass diese Maßnahme alleine allenfalls in einer Extremsituation kurzfristig was bringen kann." (dpa)
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