Die VW-Tochter Audi soll stärker in den Abgasskandal verstrickt sein als bislang bekannt. Wie die "Bild am Sonntag" berichtet, hat die kalifornische Umweltbehörde Carb im Sommer dieses Jahres eine weitere illegale Softwarefunktion bei einem Audi mit V6-Motor entdeckt. Diese habe Audi auch für die Manipulation von CO2-Werten für Diesel und Benziner in Europa verwendet, schreibt die Zeitung. Bei der Carb war am Wochenende zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Dem Bericht zufolge konnten bestimmte Audi-Modelle mittels einer sogenannten Lenkwinkel-Erkennung unterscheiden, ob sie auf einem Rollenprüfstand sind oder auf der Straße fahren. Wird das Lenkrad nach dem Start nicht bewegt, aktiviert sich in Automatik-Getrieben ein Schaltprogramm, mit dem besonders wenig CO2 ausgestoßen wird. Dreht der Fahrer das Lenkrad dagegen, deaktiviert sich diese "Aufwärmstrategie". Das Fahrzeug läuft daraufhin mit einem anderen Schaltprogramm, das mehr Kraftstoff verbraucht und mehr CO2 erzeugt.
Weder Volkswagen noch Audi wollten den Bericht am Sonntag kommentieren. In Ingolstadt verwies man auf die laufenden Gespräche mit den US-Behörden.
Die Lenkwinkel-Erkennung soll früheren Berichten zufolge auch Bestandteil der Software gewesen sein, mit der der VW-Konzern die Stickoxidwerte seiner Diesel geschönt haben soll. Der Einsatz auch zur Täuschung bei CO2-Werten wäre eine neue Dimension. Das Bundesverkehrsministerium hatte im Frühjahr bei Nachmessungen im Zuge der Abgasaffäre zunächst Werte des gesundheitsschädlichen Stickoxids auch bei anderen Herstellern geprüft. Bei 30 Automodellen wurden aber auch auffällig hohe CO2-Emissionen gemessen. Die Fahrzeuge verbrauchen damit mehr Sprit als angegeben.
Prüfstanderkennung jahrelang eingesetzt
Die "Bild am Sonntag" berichtete weiter, Audi habe diese Prüfstanderkennung jahrelang eingesetzt. In vertraulichen Firmendokumenten heiße es: "Schaltprogramm soll so ausgelegt werden, dass es auf der Rolle zu 100 Prozent aktiv ist, vor Kunde aber nur in 0,01 Prozent." Audi habe den Einsatz der Schummel-Software im Mai 2016 gestoppt. Mehrere verantwortliche Techniker seien suspendiert worden.
In den USA steht Audi wegen rund 85.000 Dieselautos mit illegaler Abgastechnik unter Druck. Bei rund 475.000 kleineren Dieselwagen hat sich VW sich mit geschädigten Besitzern und Behörden in den USA bereits auf einen milliardenschweren Vergleich geeinigt. Inklusive weiterer Entschädigungszahlungen an 44 Bundesstaaten und Autohändler ist der Konzern bereit, 16,5 Milliarden Dollar in die Hand zu nehmen.
Doch bei den größeren Modellen, die mit 3,0-Liter-Motoren der VW-Tochter Audi unterwegs sind, steht ein Kompromiss noch aus. Es geht um teure Dickschiffe wie Porsche Cayenne und VW Touareg, vor allem aber etliche Audi-Luxusmodelle. Audi hatte stets betont, das Problem betreffe nur die USA.
Während VW in den USA zu milliardenschweren Wiedergutmachungen bereit ist, sträubt sich der Konzern in Deutschland und Europa weiter gegen vergleichbare Angebote. Gesetzesverstöße innerhalb der EU streitet VW ab. Erst am Donnerstag hatte der Konzern auf Anfrage von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR seine bereits im Sommer geäußerte Rechtsauffassung bekräftigt, die in den USA verbotene Software stelle unter EU-Recht keine illegale Manipulation dar. Da hierzulande keine Sammelklagen zugelassen sind, ziehen seit Monaten einzelne Autobesitzer vor Gerichte. Bislang hat zumeist VW gewonnen, in anderen Fällen hat der Konzern Berufung angekündigt.
Verkehrsministerium widerspricht Volkswagen
Das Bundesverkehrsministerium widerspricht Volkswagens Darstellung, der Konzern habe in der Abgasaffäre nicht gegen europäisches Recht verstoßen. "Wir teilen die Auffassung von VW nicht", sagte ein Sprecher des Ministeriums der Tageszeitung "Die Welt" (Samstag). Der Wolfsburger Konzern hatte erklärt, dass die sogenannten Abschalteinrichtungen in den manipulierten Dieselmotoren in der EU nicht illegal gewesen seien. "Die in Fahrzeugen mit einem EA 189-Motor enthaltene Software stellt nach Auffassung von Volkswagen keine unzulässige Abschalteinrichtung nach europäischem Recht dar", hatte ein VW-Sprecher betont.
Die Äußerung von VW widerspricht dem Rückrufbescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA), wonach die manipulierten Fahrzeuge auch in Deutschland zurück in die Werkstätten müssen. "Das KBA hat festgestellt, dass VW illegale Abschalteinrichtungen verwendet", sagte der Sprecher des Verkehrsministeriums. Deshalb habe die Behörde den Rückruf von Millionen VW-Dieselfahrzeugen angeordnet.
Dobrindt lässt Manipulationsvorwürfe untersuchen
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will die Berichte prüfen lassen. Bisher lägen keine Informationen von Carb vor, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums am Montag in Berlin. Das Kraftfahrt-Bundesamt sei daher nun "angewiesen, dem Sachverhalt nachzugehen". Das bedeute, dass nun erst einmal Informationen beschafft würden, um sie anschließend zu bewerten.
Der grüne Verkehrspolitiker Oliver Krischer kritisierte Dobrindt scharf. "Wieder einmal ist es eine US-amerikanische Behörde und keine deutsche, die Softwaremanipulationen bei deutschen Autobauern feststellt", sagte Krischer der "Rheinischen Post" (Montag). Dabei sei im Bericht des Kraftfahrtbundesamtes vom April nachzulesen, dass die Prüfer der Manipulation von Audi auf der Spur waren. Dobrindt habe sich stattdessen mit lapidaren Erklärungen abspeisen lassen.
Mit Audi zeige sich erneut, dass der Abgas-Betrug bei den Autokonzernen System habe. Der Bundesverkehrsminister habe bislang keinen Beitrag zur Aufklärung des Skandals geleistet. "Dass Dobrindt bis heute beim Abgasskandal nicht durchgreift, ist der Skandal im Skandal", sagte der Grünen-Politiker. (dpa)
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