Von Bernd Dohrmann
Die Umwelt, aber auch Hersteller, Importeure und Umrüster von Fahrzeugen mit Erdgas (CNG) und Flüssiggas (LPG) können sich freuen: Die Politik will die alternativen Kraftstoffe über das Jahr 2018 – das Ende der bisherigen Förderung – hinaus steuerlich begünstigen. Das kündigte Michael Meister, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, beim 6. Berliner Automobildialog des Kfz-Gewerbes (ZDK) an. Die Entscheidung soll der Mobilität mit umweltfreundlichen Antrieben einen größeren Schub geben und den Anteil von CNG und LPG am Kraftstoff-Mix – trotz der derzeit ungewöhnlich niedrigen Preise für fossile Treibstoffe – erhöhen.
Laut Meister befinden sich die Pläne bereits in der Ressort- und Verbände-Abstimmung. Der Gesetzesvorschlag sieht vor, Flüssiggas bis 2021 und Erdgas bis 2024 weiter steuerlich zu fördern. Für beide Antriebsarten ist dabei eine "Degressionsregelung" (bei Flüssiggas ab 2019, bei Erdgas ab 2022) vorgesehen, die dann zum schrittweisen "Abschmelzen" der Förderhöhe führt.
Unter dem Motto "Mit Vollgas aus der Nische" hatte der ZDK Ende April zu der Diskussionsrunde eingeladen. Matthias Heider, Mitglied im Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erklärte bei der Veranstaltung: "Die zentrale Frage ist derzeit: Wie wird das Auto der Zukunft angetrieben?" Eine Einigung sei angesichts der unterschiedlichen Interessen nicht einfach. Gemeinsames Ziel müsse sein, dass man sich langfristig komplett von fossilen Energien trenne. Daher sei ein technologischer Mix wichtig.
Heute werden noch 98,5 Prozent der Fahrzeuge in Deutschland mit Diesel und Benzin betrieben, nur 1,5 Prozent fahren mit LPG, CNG oder rein elektrisch. Auch der Hybridanteil ist noch gering. Heider rechnet damit, dass herkömmliche Kraftstoffe noch mindestens 20 Jahren dominant bleiben. "Wir müssen und wollen aber mit der Dekarbonisierung vorankommen." Die bisherigen Anreize und Fördermaßnahmen seien ein richtiges Signal gewesen. Auch die Forschung an der Brennstollzelle und den Batterien sehe Berlin als "sehr wichtig an, um die Reichweite zu verbessern".
Mit Blick auf die neue Förderung erwartet Heider Steuermindereinnahmen in Höhe von 180 Millionen Euro. Die Maßnahme werde sich aber positiv auf die Verminderung des CO2-Ausstoß auswirken: "Bei der Begrenzung der Förderung müssen wir genau schauen, wie viel wir ausgeben, denn wir müssen auf die Vielfalt der Technologie achten." Christoph Konrad, Leiter des ZDK-Hauptstadtbüros, betonte, dass in den Überlegungen "auch der Diesel eine Zukunft haben muss". Gleiches gelte für die E-Mobilität und Wasserstoff. Man müsse mit möglichst vielen Kraftstoffen beim Umweltschutz vorankommen.
Umdenken gefordert
Lisa Paus, Sprecherin für Steuerpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, unterstrich die Notwendigkeit eines Gesamtkonzepts. Sie sprach sich dafür aus, den die komplette Energiebesteuerung anzuschauen. Dazu gehöre auch, den Gasantrieb zu unterstützen. "Wir brauchen ein Umdenken: Wenn wir etwas bewirken wollen, müssen wir die jetzige Mobilität ändern", so Paus. Sie schlug vor, Dieselfahrzeuge aus Innenstädten zu verbannen, und forderte bei den Plänen zu gasbetriebenen Fahrzeugen: "Wir brauchen ein höheres Tempo und Klarheit. Daher ist die Befreiung für CNG/LPG gut."
Benjamin Soloskowski, Leiter der Opel-Hauptstadtrepräsentanz, zeigte sich skeptisch. Er beklagte insgesamt das Defizit von klaren Vorgaben, "denn Händler und Hersteller benötigen Sicherheit". Bei Opel sind aktuell 20 Modelle ab Werk mit alternativer Technik im Angebot, viele davon mit Autogas. Den Van Zafira gibt es sogar mit LPG- und CNG-Technik. Laut Sokolowski kämpfe die Branche derzeit mit einem Einbruch der Absatzzahlen bei Autogas-Modellen. Schuld daran sei das billige Benzin. Dennoch setze Opel weiter auf die Antriebe und diskutiere sogar einen CNG-Hybrid. Die Verlängerung der steuerlichen Gas-Förderung befürwortete der Opelaner: "Das ist ein guter Schritt, um für mehr Planungssicherheit bei den Verbrauchern zu sorgen."
Immer noch in der Nische
An der Diskussion nahmen auch die Vertreter der Erdgas- und Flüssiggas-Verbände teil. Norbert Azuma-Dicke von Zukunft Erdgas sieht die Notwendigkeit, "CNG eine Stimme geben." Erdgas sei im Markt immer noch eine Nische, Grund seien unter anderem die unterschiedliche Mengenangabe an der Tankstelle (Erdgas in Kilogramm, Autogas in Liter ). Das beeinflusse die Wahrnehmung der Kunden. Andreas Stücke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verbands Flüssiggas, begrüßte grundsätzlich die Aussagen der Politiker in der Runde, hätte sich aber einen längeren Zeitraum der steuerlichen Förderung gewünscht.
Die beschlossene Entscheidung für den Gas-Antrieb soll nicht nur die Umwelt schützen, sie wird auch den Autohäusern und-Werkstätten zugute kommen. Ein großer Anteil von markengebundenen und freien Kfz-Betrieben bietet schon seit Jahren die Umrüstung auf Autogas-Betrieb an, musste aber in den vergangenen zwei Jahren deutliche Rückgänge hinnehmen. Neben den Werkstätten werden voraussichtlich auch die zahlreichen Hersteller der Nachrüst-Gasanlagen davon profitieren. Ein Fachbesucher des 6. Berliner Automobildialogs brachte es auf den Punkt: "Wir brauchen ein höheres Tempo in Sachen Gas-Antriebe."