Von Michael Lennartz/SP-X
911er oder Defender, Golf oder Corolla, Käfer oder G-Modell – es gibt diese Dauerbrenner, die im Prinzip jedermann ein Begriff sind – und auch ohne Markennennung eindeutig zugeordnet werden können. Der Civic gehört ebenfalls zu dieser Spezies. Im Gegensatz zu seinen Kollegen in diesem elitären Club blickt der Honda im Kompaktformat allerdings auf eine noch bewegtere Historie zurück. Denn mit Ausnahme des "Weltmeisters" Toyota Corolla, der sogar schon eine Stufe weiter ist, hat bisher noch keine andere aktuelle Baureihe neun Generationswechsel hinter sich gebracht. Die zehnte Generation des Civic startet nun in Deutschland am 18. März zu Preisen ab 19.990 Euro.
Und es ist nicht das erste Mal, dass sich ein neuer Civic markant von seinem Vorgänger abhebt. Wirkte das Outfit der 2012 hierzulande eingeführten neunten Generation eher noch wie der zu früh umgesetzte Designentwurf eines Kompakt-Pkw von morgen, so kehrt die Neuauflage des Japaners stilistisch wieder mehr ins Hier und Jetzt zurück, präsentiert sich der bisher ausschließlich angebotene Fünftürer an der Frontpartie mit einer Schnute wie ein Breitmaulfrosch aber kein bisschen weniger auffällig. Was auch für das zerklüftete Heck mit dem sich quer durch die Heckscheibe ziehenden Spoiler und den mächtigen Pseudo-Luftauslässen im Stoßfänger zutrifft. Die viertürige Limousine, die im Sommer hinzukommen wird und mit einer coupéhaften Linienführung eher einem Fließ- als einem Stufenheck ähnelt, wirkt vom Design her wesentlich erwachsener.
Noch mehr wird die Abkehr von den spleenigen Entwürfen des Vorgängers im Cockpit deutlich. Das Armaturenbrett wurde wieder nach konventionellem Maßstab gestaltet. Die Anzeigen sind in eher klassischer Anordnung hinter dem Lenkrad ablesbar. Schön und gut, aber natürlich auch ein bisschen normaler, was ebenso für das Ausmustern der "Magic Seats" in der zweiten Reihe zutrifft. Weil der bisher unter dem Fahrersitz eingebaute Tank wieder unter die – wie in der Kompaktklasse üblich – Rückbank wanderte, fiel bei den hinteren Sitzen die Option auf jene "Kinoklappstühle", die man aufstellen konnte, um dort voluminöse Ladung besser zu verstauen, notgedrungen dem Rotstift zum Opfer.
16 Zentimeter länger
Umso mehr dürften Pragmatiker sich über die üppigen Platzverhältnisse im Fond und im Gepäckabteil freuen. Hinterbänklern mangelt es weder an Kopf- noch an Beinfreiheit, und die unveränderten 478 Liter Kofferraumvolumen, die sich auf maximal 1.120 Liter erweitern lassen, sind im Kompaktsegment eine Ansage. Der Raumgewinn kommt natürlich nicht von ungefähr, denn Civic Nummer zehn streckt sich um satte 16 Zentimeter auf nunmehr 4,52 Meter Länge, womit er die Grenzen der Kompaktklasse aber eigentlich schon sprengt. In Verbindung mit dem Breitenzuwachs um drei Zentimeter und einer zwei Zentimeter flacheren Dachlinie steht der Honda-Dauerläufer jetzt stämmiger und selbstbewusster auf der Straße.
Das kommt auch in einer tieferen Sitzposition für den Fahrer zum Ausdruck. Und im Motorenangebot. Denn wer sich ab März für den neuen Civic entscheidet, der muss mit 95 kW / 129 PS leistungsmäßig schon deutlich höher einsteigen, als das bisher mit einer 100-PS-Variante der Fall war. Alternativ dazu gibt es lediglich noch einen zweiten 1,5-Liter-Turbobenziner, der mit 134 kW / 182 PS noch mehr die Muskeln spielen lässt. Beide Triebwerke sind mit einer Sechsgang-Handschaltung kombiniert, können wahlweise aber auch mit einem stufenlosen CVT-Getriebe (1.300 Euro Aufpreis) bestellt werden.
Das Plus an Dynamik ist tatsächlich keine leere Versprechung. Auf ersten Testrunden beweist der neu entwickelte 1,0-Liter-Turbo schon im Drehzahlkeller für ein Dreierpack recht ordentlichen Schub, dreht dabei aber auch Honda untypisch bei 5.600 Touren in den roten Bereich. Akustisch hält der Dreizylinder mit den vergleichbaren Triebwerken allerdings nicht mit, unter Last bleibt seine knurrige Lebensart niemals verborgen.
Adaptive Dämpfer erstmals an Bord
Der stärkere 1,5-Liter-Vierzylinder kann jede Disziplin deutlich besser, zeigt sich drehfreudiger und ist, wenn man nicht auf jeden Cent achten muss, zweifellos die bessere Wahl. Als guten Kompromiss empfanden wir die Abstimmung der erstmals angebotenen und vorn wie hinten wirkenden, adaptiven Dämpfer an Bord, die in der Normalstellung komfortabel ausgelegt sind, aber auch in der Sport-Stellung keine übertriebene Härte an den Tag legen.
Die weiterentwickelte stufenlose CVT-Automatik simuliert sieben Getriebestufen und soll dem Fahrer damit das vertraute Gefühl von Gangwechseln vermitteln. Tatsächlich haben die Honda-Leute zumindest die akustischen Unsitten dieser Getriebeart weitgehend in den Griff bekommen. Wir würden dennoch die manuelle Schaltung bevorzugen. Immerhin besteht bei der CVT-Variante die Möglichkeit mit den Schaltwippen am Lenkrad in einem manuellen Modus zu fahren.
Dass die Preise für den kompakten Japaner deutlich nach oben geklettert sind und von 19.990 Euro für das Basismodell 1.0 VTEC Turbo S bis zum 31.460 Euro teuren Topmodell 1.5 VTEC "Prestige" reichen, liegt einmal natürlich an der dürftigen, aber leistungsstärkeren Motorenauswahl, vor allem jedoch an einem lobenswerten All-Inclusive-Konzept: Honda will mit dem "Sensing"-Paket intelligente, sicherheitsrelevante Assistenzsysteme allen Kunden zugänglich machen.
Sicherheit serienmäßig
So umfasst das umfangreiche, schon im Grundmodell serienmäßige Sicherheitspaket einen automatischen Abstandshalter mit Verkehrszeichenerkennung, der mit einem intelligenten Geschwindigkeitsbegrenzer selbsttätig auf die Einhaltung der Tempolimits achtet – ein Novum in dieser Fahrzeugkategorie. Auch der aktive Spurhalteassistent mit Lenk- und Bremseneingriff, die Berganfahrhilfe, ein Fernlichtassistent sowie ein Kollisionswarnsystem mit aktivem Bremseingriff und Fußgängererkennung gehören zum Paket. Den Ausparkhelfer, der beim Rückwärtsfahren aus einer Parkbucht vor querendem Verkehr warnt, eine Rückfahrkamera und einen Toter-Winkel-Assistent gibt es ab Werk allerdings nur in den höheren Ausstattungen "Executive", "Sport Plus" und "Prestige".
Das Civic-Motorenangebot soll zum Jahreswechsel noch um einen 1,6-Liter-Diesel mit 88 kW / 120 PS erweitert werden. Zuvor wird im Sommer nach der Limousine noch die sportliche Speerspitze Type R mit wahrscheinlich 350 PS an den Start gehen. Eine Hybrid-Variante ist ebenso wie eine Allrad-Version auf der neuen Plattform technisch möglich, konkrete Pläne gibt es allerdings noch nicht.
Klar ist dagegen, dass die Kombi-Alternative Sport Tourer in der zehnten Generation keine Zukunft haben wird. Da der Civic erstmals seit Jahrzehnten wieder als Weltauto ausgelegt ist, das dies- und jenseits des Großen Teichs weitgehend baugleich angeboten wird, mögen die Japaner für den europäischen Kombi-Markt wohl keine Extrawurst mehr braten. Als Kompromiss wird der aktuelle Sport Tourer auf Basis der neunten Generation noch bis 2018 weiter produziert.
Detlef Scharlau