Von Benjamin Bessinger/SP-X
Er ist für Honda so wichtig wie für VW Käfer und Golf zusammen. Denn in mittlerweile neun Generationen ist der Civic fast schon zum Synonym für die japanische Marke geworden. Und wenn bei uns im Frühjahr die zehnte Auflage an den Start geht, wird der Wagen noch einmal eine Nummer wichtiger. Schließlich haben die Japaner ihren Bestseller diesmal zum Weltauto geadelt und nutzen die gleiche Konstruktion deshalb erstmals auf beiden Seiten des Atlantiks. Weil die Amerikaner mehr Civic kaufen als jeden anderen Kompakten und so zur größten Kundengruppe aufgestiegen sind, haben sie den Hut auf, durften bei der Entwicklung auch den Ton angeben - und mit ihrer sportlichen Limousine schon ein paar Monate vorher in den Handel.
Wer dieses schnittige Stufenheck, das sich vom EU-Modell diesmal nur durch den Abschluss und ein bisschen Ausstattung unterscheidet, zum ersten Mal fährt, erlebt einen völlig neuen, ganz anderen Civic: Auf der einen Seite büßt der globalisierte Japaner seinen Captain Future-Look ein, sieht außen nicht mehr ganz so schräg und innen nicht mehr gar so futuristisch aus, was ihn zu einem gewöhnlichen, ja fast schon langweiligen Kompakten macht. Aber auf der anderen Seite sitzt man jetzt etwas tiefer auf der Straße, der Radstand ist länger, die Spur breiter und der Civic fährt schon im tendenziell eher etwas schwammigen US-Trimm viel engagierter und energischer als bisher.
In den USA tut er das wahlweise mit einem 158 PS starken Zweiliter oder einem 1,5 Liter großen Turbo, den es mit 182 PS auch bei uns geben wird. Daneben bekommen wir erst einmal nur einen Dreizylinder mit einem Liter Hubraum und 129 PS und allenfalls später im Jahr noch einen Diesel.
Tiefere Sitzposition, riesiger Kofferraum, üppige Beinfreiheit
Der neue Zuschnitt und der Einfluss der Amerikaner hat auch innen seine Spuren hinterlassen. Für die tiefere Sitzposition musste der Tank unter dem Fahrersitz weichen und ist wie bei allen andern Kompakten unter die Rückbank gewandert. Dafür hat Honda wiederum die Magic Seats geopfert, die man wie Kinosessel aufstellen konnte, um dafür hohe Ladung zu transportieren. Das macht aber nichts. Denn nachdem Honda den Civic mit Blick über den Atlantik um 13 Zentimeter auf 4,50 Meter gestreckt hat, ist nicht nur der Kofferraum riesig geworden. Auch die Beinfreiheit im Fond ist so üppig, dass man die Knie übereinanderschlagen kann. Das gibt es nicht oft in der Kompaktklasse. Und weil man trotzdem nie genug Platz haben kann, gibt es dazu die wahrscheinlich größte Mittelkonsole in dieser Klasse – mitsamt doppeltem Boden und verschiebbaren Trennfächern.
Auftritt und Ambiente mögen mit dem Generationswechsel etwas gemäßigter, gegenwärtiger geworden sein. Doch dafür geben die Japaner bei der Ausstattung den Trendsetter: In Europa, weil sie mit einer All-Inclusive-Politik die Sicherheitstechnik gar vollends demokratisieren und sogar die automatische Abstandsregelung zum Standard machen. Und in den USA, weil sie dort mit ein paar neuen Features experimentieren. So haben sie zum Beispiel eine zusätzliche Kamera in den Spiegel gebaut und mit dem Blinker gekoppelt. Statt einfach nur vor möglichen Gefahren zu warnen, kann man deshalb jetzt beim Abbiegen auf dem großen Touchscreen in der Mittelkonsole selber Nachschauen, was neben und hinter dem Auto los ist.
Zwar ist der Civic mit der Globalisierung irgendwie gewöhnlich geworden, etwas langweiliger und zugleich lustvoller. Und er ist so allgemein verträglich, dass jetzt bald auch die Amerikaner unser Schrägheck bekommen. Doch der allein für Europa entwickelte und ohnehin viel später nachgereichte Kombi bleibt dafür auf der Strecke und wird nicht übernommen. Macht aber nichts: Fürs Erste baut Honda das alte Modell einfach noch ein bisschen weiter.
Detlef Scharlau